*1994, lebt und arbeitet bei Stuttgart

Deniz Aras kreiert in einigen seiner Arbeiten imaginäre Topografien, u.a. eine detaillierte Weltkarte mit ausgedachten Ländernamen wie Nordrhein-Ostfalen. Es wird deutlich, dass Aras mit seiner Kunst sich die Welt aneignet, sie kartografiert und damit auch eine eigene Ordnung der Welt und ihn betreffenden Ereignissen schafft.

Seine auf den ersten Blick kindlich erscheinenden bunten Zeichnungen sind tatsächlich hochkomplexe und hybride Bestandsaufnamen, in der Form von Wort- und Bildaufstellungen: immer wieder werden die Beteiligten an Ereignissen aufgezählt. Ein Merkmal von Listen und Rankings ist immer auch die Nivellierung von Ereignissen. Diese Nivellierungen kommentieren die Arbeiten, wenn zum Beispiel ein bestimmter Typ von Mensch (hier junge Menschen) auch in ihrer Darstellung wiederkehrende Schemata aufweisen und in ihrer Gestalt sehr ähnlich wirken. Das erinnert an einen Merksatz der Medienwissenschaft, dass die Taxonomie erst die Zusammenhänge herstellt, die sie abzubilden vorgibt. So werden Hirsch, Reh, Rind, Schwein, Elch und Ziege auf erstaunlich ähnliche Weise dargestellt (nur der Hai fällt hier etwas raus). Bei genauem Hinsehen erschließt sich in dieser bunten Welt eine sehr genaue und strikte Ordnung, vielleicht Versuche, das Chaos dieser Welt und der Erfahrungen zu bannen und in einem Rahmen einzuordnen.

In den hier versammelten Werken überlagert die Ordnung den Urlaub. Mediterrane Erholungswelten werden mit Motiven der Populärkultur (eine imaginäre Reihe von Bärenbrüder-Filmsequels, das Original hat es nur zu einem Sequel gebracht), aber auch eine immer wieder auftauchende und zu einer Art Liste geordnete Schafsherde (mit dem Hund des Schäfers), kombiniert. Einzelne Textpassagen verweisen auf Erlebnisse und offensichtlich dem Künstler bekannte Personen. Kirschen und Äpfel hängen sehr akkurat in Serien geordnet von den Bäumen. Die Grenze zwischen Land, Strand und Meer scheint übergenau und einfach gezeichnet und markiert.

Tatsächlich ist diese Welt in einer aufgebrochenen Perspektive gezeichnet, eine Draufsicht mit maximalem Überblick und dennoch einer verwirrenden Vielfalt von Objekten und Menschen. Deniz Aras fasziniert wegen den Versuchen, die Topografie der Welt und von Ereignissen zu erfassen. Dabei wird aber nur scheinbar auch eine Ordnung für die Betrachtenden angeboten, denn ihnen werden sich die Ereignisse nie erschließen. Es ist eher eine (ordentliche) Sammlung von Fragmenten, die immer auch etwas suggerieren und die Imagination stimulieren, ohne ihre Geheimnisse offen zu legen. Was für ein Unfall passiert ist und was der Anlass für einen Strandaufruhr war, werden wir nie erfahren – allein in unserer Phantasie können wir eine Geschichte ersinnen.